Herausforderungen beim Stillen
Zeit zum Lesen: 3 min.
Du hast – freiwillig oder unfreiwillig – schon abgestillt, aber nun soll der Milchfluss doch wieder in Gang kommen? Wie das klappen kann, erklärt Aleyd von Gartzen, Beauftragte für Stillen und Ernährung des Deutschen Hebammen Verbandes.
Das denken sich viele Frauen, nachdem sie aus unterschiedlichen Gründen früher als gewünscht abgestillt haben. Ist es überhaupt möglich, die Milchproduktion wieder anzukurbeln?
Ja, das kann funktionieren. Es ist allerdings ein anstrengender und zeitintensiver Prozess. Insofern sollte die Frau das auch wirklich wollen und davon überzeugt sein. Ganz wichtig ist, dass sie fachliche Unterstützung hat und es auch im privaten Umfeld Menschen gibt, die ihr emotional beistehen, Mut machen, sie im Haushalt und Alltag entlasten.
Tatsächlich kann es Wochen, manchmal sogar Monate dauern, den Milchfluss wieder in Gang zu bekommen. Einigen Frauen gelingt es ihr Baby wieder voll zu stillen, andere können zwar auch wieder stillen, müssen aber, weil die Milchproduktion nicht ganz ausreichend ist, zusätzlich weiterhin zufüttern. Generell kann man sagen: Je kürzer das Abstillen her ist, desto größer ist die Chance auf eine erfolgreiche Relaktation.
Es ist zunächst einmal wichtig zu ergründen, warum abgestillt wurde. Häufig liegt das ja daran, dass die Mutter nicht genug Milch bilden konnte. Das kann zum Beispiel an einer mütterlichen Schilddrüsenunterfunktion liegen oder das Baby konnte aus anatomischen Gründen nicht gut an der Brust saugen und deshalb die Milchbildung nicht genug anregen. Man muss also unter Umständen die Hormonwerte im Blut der Mutter bestimmen lassen und auch das Baby sorgfältig untersuchen. Gleichzeitig sollte das Baby wieder an die Brust gewöhnt werden. Das Saugen an der Brust ist die effektivste Methode, um die Milchbildung anzuregen. Konkret bedeutet das: Die Frau muss ihr Baby acht bis zwölf Mal in 24 Stunden möglichst an beiden Seiten jeweils 15 bis 20 Minuten anlegen. Wichtig ist, dass das Baby generell viel Hautkontakt hat. Das wirkt sich positiv auf die Produktion des milchbildenden Hormons Prolaktin aus und erhöht damit die Chance auf eine erfolgreiche Relaktation.
Nein! Um das Baby wieder an die Brust zu gewöhnen, ist es wichtig, dass es sein Saugbedürfnis nur an der Brust stillt und eben nicht am Flaschensauger. Zugefüttert wird beispielsweise mit Hilfe eines Brusternährungssets: Es besteht aus einer kleinen Flasche, die am Hals der Mutter hängt und die Milch durch einen dünnen Schlauch, der an der Brust in Höhe der Brustwarze befestigt wird, direkt in den Mund des Babys abgibt, während es an der Brust saugt. Das Baby wird also für sein Saugen belohnt und die Brust wird dadurch weiter zur Milchproduktion angeregt. Eine Alternative ist eine Ernährungssonde. Dabei handelt es sich, wie beim Brusternährungsset um einen kleinen Schlauch, dessen Öffnung in Höhe der Brustwarze befestigt wird. Mit einer mit Milch gefüllten Spritze am Ende des Schlauchs kann die Frau zufüttern und dabei die Geschwindigkeit bestimmen, mit der die Milch beim Saugen des Babys dazugegeben wird.
Ganz wichtig ist, dass die Frau von einer Hebamme fachkundig begleitet wird. Diese sollte zum Beispiel kontrollieren, dass das Kind wirklich gut angelegt ist. Denn das kann ein Grund sein, weshalb es mit dem Stillen nicht richtig funktioniert. Die Hebamme sollte aber auch überprüfen, ob das Saugen etwa aus anatomischen Gründen nicht möglich oder effektiv ist. Ein typisches Beispiel ist ein zu kurzes Zungenbändchen. Dadurch kann das Baby beim Saugen an der Brust keinen Unterdruck erzeugen und somit auch nicht richtig saugen. Außerdem werden die Brustwarzen wund, was neben einer ungenügenden Milchproduktion nicht selten ein Grund für vorzeitiges Abstillen ist.
Stimmt! In diesem Fall muss die Mutter die Milch im Stillrhythmus abpumpen, also etwa acht bis zwölf Mal in 24 Stunden – möglichst mit einer elektrischen Milchpumpe mit Doppelpumpset (siehe unten) an beiden Brüsten gleichzeitig. Bei vielen Frauen regt es übrigens auch den Milchspendereflex an, wenn sie die Brust erst mit der Hand massieren und dann ausstreichen oder abpumpen. Das Baby bekommt die Milch dann mit einem Löffel oder kleinen Becher.
Hungern soll das Baby auf keinen Fall. Wenn die Milchmenge nicht ausreicht, sollten Sie zufüttern. Zugefüttert wird aber nicht mit der Flasche, sondern, wie gesagt, mit einem speziellen kleinen Becher oder mit einem Löffel. Selbst wenn das Baby (noch) nicht an der Brust trinkt, sollte es so viel Hautkontakt an der Brust wie irgendwie möglich haben.
Nein. Sonst würde es sein Saugbedürfnis mit Hilfe des Schnullers befriedigen. Will das Baby nur zum Trost saugen, sollte es ebenfalls die Brust bekommen.
Ja, in der Regel schon. Ist noch Milch da, werden gerne Bockshornkleekapseln verwendet, um die Milchproduktion zu erhöhen. Hat die Mutter komplett abgestillt, reicht das meist nicht aus. In diesem Fall wird üblicherweise über mehrere Wochen Domperidon eingesetzt. Es ist ein sogenanntes „Off-Label-Medikament“. Eigentlich wird es gegen Übelkeit und Erbrechen eingesetzt, erhöht aber sozusagen als „Nebenwirkung“ den Prolaktinspiegel im Blut und wirkt deshalb milchbildend. Der Arzt kann es nicht auf Kassenrezept sondern nur auf Privatrezept verschreiben. Es muss also selbst bezahlt werden.
Vielleicht wird die Mutter dadurch ruhiger und gelassener. In diesem Fall machen Stilltees Sinn und können etwas bringen. Auf die Milchbildung direkt haben sie aber keinen Einfluss.
Ganz klar: Muttermilch ist am besten fürs Baby. Selbst wenn die Mutter später nur zum Teil stillt und zufüttern muss: Jeder Tropfen Muttermilch ist wertvoll fürs Baby! Die Relaktation lohnt sich also schon, ist aber eben sehr zeitintensiv. Empfindet die Frau diesen ganzen Prozess als viel zu stressig, könnte sich das wiederum negativ auf die Beziehung zum Kind auswirken. Dann ist der Punkt gekommen zu sagen: Der Aufwand einer Relaktation lohnt sich nicht.
Diese Artikel könnten Sie interessieren