Wunder Muttermilch
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Wenn es darum geht, wie du dein Baby fütterst, helfen dir das Wissen über die Inhaltsstoffe der Muttermilch und der Säuglingsnahrung, die Kostenunterschiede und die Auswirkungen, die sie auf Gesundheit und Schlaf haben, dabei, eine informierte Entscheidung zu treffen
Los geht's mit dem Vergleich zwischen Muttermilch und Säuglingsnahrung. Es gibt Aspekte, in denen Säuglingsnahrung Muttermilch ähnlich ist: Sie liefern beide Energie, Flüssigkeitszufuhr und Nährstoffe, damit dein Baby wachsen kann, egal welche Milch es bekommt.
Aber trotz der Fortschritte bei der Zusammensetzung und Herstellung von Milchpulver reicht Säuglingsnahrung noch nicht annähernd an die gesundheitlichen Vorteile deiner Muttermilch heran. Muttermilch entwickelte sich über Millionen von Jahren zur perfekten Nahrung für Babys. Sie ist viel komplexer als die Milch anderer Säugetiere, da sie unser komplexeres Gehirn und einzigartiges Verdauungs- und Immunsystem aufbaut.
Im Vergleich dazu erfüllt Kuhmilch, aus der die meiste Säuglingsnahrung hergestellt wird, die spezifischen Bedürfnisse von Kälbern. Sie ist nicht für menschliche Babys geeignet und muss daher bei der Herstellung von Pre-Nahrung für Säuglinge intensiv verarbeitet werden.
„Wusstest du, dass der Salzgehalt (Natrium) in Kuhmilch in einer für Babys quasi giftigen Menge vorhanden ist?“ sagt Professor Peter Hartmann, ein international renommierter Spezialist für Stillen und Milchproduktion an der University of Western Australia.
„Tatsächlich wurde Kuhmilch in den frühen 1980er-Jahren als toxisch für Labortiere wie Kaninchen oder Ratten eingestuft. Falls heute ein Inhaltsstoff toxisch für ein Labortier ist, wird es in Medikamentenstudien nicht eingesetzt. Nach heutigen Standards hätte Pre-Milch also gar nicht hergestellt werden dürfen! Muttermilch dagegen enthält nur niedrige Konzentrationen an Natrium.“1
Vom Kolostrum, das die Magenwand deines neugeborenen Babys auskleidet und verschließt, bis zur reifen Milch, die das Wachstum deines Babys unterstützt – jeder Tropfen deiner Muttermilch enthält tausende gesunde Inhaltsstoffe, darunter:
Einer der Vorteile von Muttermilch gegenüber Säuglingsnahrung ist, dass sie eine lebendige Flüssigkeit ist. Sie passt sich laufend an die sich verändernden Lebensumstände deines Babys an. Wenn dein Baby also krank wird, bildet dein Körper zusätzlich weiße Blutkörperchen und Antikörper, die in deine Milch übergehen und dabei helfen, die Infektion zu bekämpfen.5
„Die schützenden Eigenschaften der Muttermilch sind entscheidend und einzigartig in der Evolution der Laktation“, erklärt Professor Hartmann. „Aber wir haben noch nicht die nötigen Daten, um das volle Ausmaß der schützenden Elemente zu verstehen und wofür sie zuständig sind, da Muttermilch so komplex ist.
„Nehmen wir zum Beispiel Oligosaccharide – es gibt mehr als 200 davon.11 Sie sind der drittgrößte Inhaltsstoff der Muttermilch – dennoch wissen wir nur wenig darüber, was sie bewirken! Sie haben wahrscheinlich sehr komplexe Strukturen, da sie sich so besser mit bestimmten Proteinen verbinden können, und wenn Oligosaccharid und Protein zusammenkommen, entstehen biologische Effekte.
Ich bin der Meinung, da wir das nicht genau wissen, sollte man nicht damit herumexperimentieren! Muttermilch ist die natürliche Wahl.“ Mehr über Muttermilch erfährst du in unserem Artikel Woraus besteht Muttermilch?
Die Inhaltsstoffe variieren von Marke zu Marke und von Land zu Land, aber die typische Anfangsmilch für Säuglinge besteht aus verarbeiteter entrahmter Kuhmilch mit zugesetzten Emulgatoren und Stabilisatoren, damit sich Öle und Wasser verbinden können, wenn du die Säuglingsnahrung zubereitest. Weitere mögliche Inhaltsstoffe:
Andere Arten von Pre-Milch, wie Ziegenmilch, hypoallergene und Soja-Säuglingsnahrung, können unterschiedliche Inhaltsstoffe aufweisen.
„Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich in Muttermilch mehr als 1000 Proteine befinden12 – und selbst die besten Unternehmen für Säuglingsnahrung können nur versuchen, das eine oder andere hinzuzufügen“, erklärt Professor Hartmann. „Dazu kommt, dass sie erst einige der vielen Oligosaccharide in der Muttermilch synthetisieren können. Durch das Kopieren einiger Proteine und Oligosaccharide erhält man also noch lange keine Muttermilch!“
„Bei Kuhmilch muss zusätzliches Eiweiß hinzugefügt werden, um die Anzahl der Aminosäuren zu erreichen, die ein Baby braucht“, fügt er hinzu. „Aber dieses zusätzliche Eiweiß wird metabolisiert und in Bestandteile zerlegt, die in Fett umgewandelt werden können.
Das ist eines der Probleme bei Säuglingsnahrung – Babys geht es damit „zu gut“. Eltern glauben häufig, dass es ihren Babys gut geht, weil sie wie verrückt wachsen – aber das ist nicht unbedingt gut für die langfristige Gesundheit der Säuglinge, die mit Pre-Nahrung gefüttert werden.13 Deshalb versuchen die Unternehmen für Babynahrung nun, den Eiweißgehalt in ihrer Milch zu senken, damit die Babys nicht zu dick werden.“
Betrachte bei der Entscheidung, ob du deinem Baby Muttermilch oder Säuglingsnahrung gibst, das Gesamtbild. Muttermilch ist mehr als nur Nahrung. Sie hat eine wichtige Schutzfunktion, senkt das Risiko deines Babys für Durchfall, Gastroenteritis, Ohrinfektionen, Erkältungen und Grippe sowie Pilzinfektionen14–16 und halbiert die Wahrscheinlichkeit für plötzlichen Kindstod.17
Du hast vielleicht schon gehört, dass Stillen die schulischen Leistungen deines Babys verbessern kann,18 aber wusstest du, dass es auch mit besserem Verhalten,19 Sehvermögen20 und besserer Zahnstellung21 in Verbindung gebracht wird? Dein gestilltes Baby hat zudem ein geringeres Risiko für Fettleibigkeit, und die lebenslange Wahrscheinlichkeit für Diabetes vom Typ 1 oder Typ 222,23 und bestimmte Krebsarten24,25 ist ebenfalls niedriger. Hier erfährst du mehr über die Vorteile des Stillens für Babys.
Stillen verbrennt zudem bis zu 500 Kalorien täglich,26 was dir dabei helfen kann, nach der Geburt schneller abzunehmen. Und je länger du stillst, desto geringer ist dein eigenes Risiko, an Brust-,27 Gebärmutter-28 und Eierstockkrebs,29 Herzkrankheiten,30 und Typ-2-Diabetes zu erkranken.22 Mehr darüber erfährst du unter Vorteile des Stillens für die Mutter.
Stillen ist im Normalfall besser für deinen Geldbeutel. Einer Schätzung zufolge sparen Familien, die ausschließlich stillen, 1200 bis 1500 US-Dollar (umgerechnet ca. 1000 bis 1300 Euro) im ersten Lebensjahr ihres Babys.31
Und obwohl Stillen dein Baby wahrscheinlich nicht davon abhält, nachts aufzuwachen, spart es Zeit beim Füttern und hilft euch beiden, schneller wieder einzuschlafen. So kannst du jede Nacht 40 bis 45 Minuten mehr Schlaf bekommen.32
Genau genommen spart Stillen dir allgemein mehr Zeit, da du nicht so viel spülen, desinfizieren, Wasser abkochen und Flaschen für Babynahrung vorbereiten musst – deine Milch ist immer fertig und hat die richtige Temperatur.
Außerdem beeinflussen die Lebensmittel, die du isst, das Aroma deiner Milch. So kann dein Baby bei jeder Stillmahlzeit neue Aromen probieren und mag später vielleicht eine größere Vielfalt an Lebensmitteln, wenn du Beikost einführst.33 Stillen kann sogar eine gesündere Ernährung fördern, da Forschungsarbeiten zeigen, dass gestillte Babys von Müttern, die regelmäßig Obst und Gemüse essen, diese Lebensmittel lieber mögen als Babys von Müttern, die dies nicht tun.34 Dagegen riecht und schmeckt Pre-Milch immer gleich, und auch die Verwendung unterschiedlicher Marken kann den komplexen Geschmack von Muttermilch nicht nachahmen.
Zu guter Letzt: Hast du den positiven Einfluss von Muttermilch auf die Umwelt bedacht? Keine Intensivlandwirtschaft, Fabrikemissionen, Transport oder Verpackung – Stillen ist sowohl für unsere Erde besser, als auch für dich und dein Baby.
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