Schwangerschaft und -vorbereitung
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Die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes ist ein Schock. Schwangerschaftszucker zählt zu den häufigsten Komplikationen in der Schwangerschaft: Etwa fünf bis sechs Prozent aller werdenden Mütter leiden an Gestationsdiabetes. Hast du auch die Diagnose bekommen? Dann werden dich nun diese Fragen beschäftigen: Wie geht es jetzt weiter? Muss ich Medikamente spritzen? Schadet die Erkrankung meinem Baby? Wir haben die wichtigsten Antworten für dich zusammengestellt. Dr. Thilo Gröning, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, klärt auf.
Schwangerschaftsdiabetes, auch Gestationsdiabetes genannt, ist eine Stoffwechselerkrankung in der Schwangerschaft. Die Diagnose wird gestellt, wenn der Blutzuckerspiegel während der Schwangerschaft zu hoch ist. Man nimmt an, dass der Stoffwechsel entgleist, weil der Hormonhaushalt umgebaut wird. Dr. Thilo Gröning erklärt: „Im Laufe der Schwangerschaft sinkt die Insulinempfindlichkeit der Zellen. Das bedeutet, dass immer mehr Insulin erforderlich ist, damit die Zellen sozusagen anspringen. Letztendlich wächst also der Insulinbedarf. Die Folge ist, dass die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin produzieren muss, um die mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate in die Körperzellen zu transportieren. Kann das Insulin der Bauchspeicheldrüse der Schwangeren aber nicht genügend an den Zellen wirken, führt dies zu erhöhten Blutzuckerwerten.“
Etwa fünf bis sechs Prozent aller schwangeren Frauen sind von Schwangerschaftsdiabetes betroffen. Kann Schwangerschaftszucker jede Frau treffen? „Ja“, weiß Dr. Thilo Gröning. Grundsätzlich kann jede Frau Schwangerschaftsdiabetes bekommen. „Auch junge und normalgewichtige Frauen können daran erkranken. Allerdings gibt es besondere Risikogruppen. Zu diesen zählen Frauen, die älter als 45 sind, einen BMI über 30 haben, ein Kind mit über 4500 Gramm entbunden haben, an einem PCO-Syndrom leiden oder bei denen es familiäre Vorerkrankungen gibt. Bei diesen Patientinnen wird schon vor der 24. Schwangerschaftswoche ein Zuckerbelastungstest durchgeführt.“
Dein Risiko, an Schwangerschaftsdiabetes zu erkranken, ist also höher, wenn du stark übergewichtig bist, deine Ernährung zu ungesund ist oder wenn es in deiner Familie eine Vorgeschichte mit Zuckerkrankheit gibt. Manche Frauen brauchen dann eine Behandlung. Damit du auf der sicheren Seite bist, solltest du dich auf jeden Fall engmaschig von deinem Frauenarzt kontrollieren lassen und seine Ratschläge befolgen.
Schwangerschaftsdiabetes bleibt ohne einen entsprechenden Test meist unerkannt, denn die Betroffenen haben keine fühlbaren Beschwerden. Deswegen gehört eine entsprechende Untersuchung zur Schwangerschaftsvorsorge.
Heutzutage durchläuft jede werdende Mutter ein Routinescreening während der Schwangerschaftsvorsorge. „Zu einem beliebigen Zeitpunkt nimmt der Frauenarzt der Patientin Blut ab“, erklärt Dr. Thilo Gröning. „Liegt der Wert bei 200 mg/dl oder höher, wird die Patientin nochmals einbestellt, um morgens im nüchternen Zustand den Blutzuckerspiegel zu messen. So kann man bei Risikopatientinnen schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes stellen und gleich entsprechende Maßnahmen einleiten.“
Risikogruppen für Gestationsdiabetes müssen sich gleich einem anderen Test unterziehen. Der Zuckertest (Glukosetoleranztest) in der 23. SSW bis 28. SSW beginnt mit einem Vortest. „Der Arzt gibt der Frau dazu 50 Gramm in Wasser gelösten Zucker zu trinken. Nach einer Stunde nimmt er ihr Blut ab und bestimmt den Blutzuckerwert. Ist dieser unauffällig, ist der Test beendet. Liegt der Wert bei 135 mg/dl oder höher, muss der Arzt immer einen zweiten Test durchführen, um Gestationsdiabetes auszuschließen oder zu bestätigen. Vor diesem zweiten Test darf die Frau acht Stunden nichts gegessen haben. In nüchternem Zustand muss sie 75 Gramm in Wasser gelösten Zucker trinken. Der Arzt nimmt ihr jeweils ein und zwei Stunden nach dem Trinken der Zuckerlösung Blut ab und bestimmt die Werte. Anhand dieser kann er dann sicher sagen, ob Schwangerschaftsdiabetes vorliegt oder nicht.“
Auch, wenn du wenig bis gar nichts von der Erkrankung merkst: Es ist trotzdem wichtig, dass du die Erkrankung ernstnimmst. „Es handelt sich um eine Risikoschwangerschaft“, so Dr. Thilo Gröning. Mögliche Folgen sind ein Zuviel an Fruchtwasser, Bluthochdruck und Harnwegsinfektionen. Bei einem unbehandelten Schwangerschaftsdiabetes steigt das Risiko für eine seltene, aber bedrohliche Komplikation: die Präeklampsie. Viel zu hohe Blutdruckwerte können zu einer Frühgeburt führen und auch das Leben der Mutter bedrohen. Das Baby kann auch in der Entwicklung zurückliegen, weil die Plazenta das Ungeborene nicht optimal versorgt. Meistens sind dann die Lungen nicht ausgereift. So Dr. Thilo Gröning: „Die Kinder sind häufig nicht nur größer und schwerer, es kann bei unbehandeltem Gestationsdiabetes auch vermehrt zu Fehlbildungen und Frühgeburten kommen. Nach der Entbindung kann das Baby einen niedrigen Blutzuckerspiegel haben, also an Unterzuckerung leiden. Deshalb müssen diese Babys nach der Geburt gut überwacht werden. Auch tragen die Kinder später ein erhöhtes Diabetesrisiko, haben häufig Übergewicht und Bluthochdruck.“
Die beruhigende Nachricht: Bei einer gut betreuten und behandelten Schwangerschaftsdiabetes entwickelt sich dein Baby meistens ganz normal und wird gesund geboren. „Per Ultraschall wird der Bauchumfang des ungeborenen Babys gemessen. Ist dieser zu groß, wäre das ein Anzeichen, dass der Blutzucker der werdenden Mutter besser eingestellt werden muss.“
Eine Entbindung wird komplizierter, wenn das Baby sehr groß ist (zum Beispiel bei einem Geburtsgewicht von 4,5 Kilo). „Bei Patientinnen mit unbehandeltem Gestationsdiabetes kommt es öfter zu Geburtsproblemen als bei gesunden Müttern: Die Kinder sind häufig größer und schwerer, was zu Komplikationen während der Geburt führen kann. So ist zum Beispiel öfters ein Kaiserschnitt erforderlich. Auch kann es bei der Mutter zu größeren Geburtsverletzungen kommen.“
Nein. Bei den meisten Patientinnen verschwindet der Schwangerschaftsdiabetes nach der Geburt von selbst, wenn diese diätisch gut eingestellt sind. „Wurde Insulin gespritzt, ist die Therapie nach der Entbindung auch beendet. Allerdings sollte in diesem Fall am zweiten Tag nach der Geburt noch mal ein Blutzuckerprofil erstellt werden. Sind die Werte unauffällig, ist der Diabetes ebenfalls nicht mehr existent. Ansonsten sollte die Patientin eine Woche lang täglich die Werte weiter messen. Acht bis zwölf Wochen nach der Entbindung sollten alle Patientinnen sicherheitshalber noch mal einen Zuckertest machen.“ Allerdings passiert es häufiger, dass sie in späteren Jahren einen Diabetes mellitus Typ 2 entwickeln. Damit das nicht passiert, solltest du mit gesunder Ernährung vorbeugen.
Fast alle Schwangeren bekommen den entgleisten Stoffwechsel mit diszipliniertem Essen und mehr Fitness in den Griff. „Allgemeine Ernährungsempfehlungen gibt es nicht. Diese sind sehr differenziert und von Frau zu Frau verschieden.“ Wichtig ist eine Ernährung ohne zu viele „schlechte“ Kohlenhydrate und Fett. Also heißt es Abschied nehmen von Schokolade und Kuchen, Fastfood und süßen Säften. Den Heißhunger wirst du sicher gut bändigen können, wenn du daran denkst, dass dein Verzicht bedeutet, dass dein Baby gesund bleibt. Stattdessen stehen gesundes Gemüse und Vollkorn auf dem Speiseplan. „Um ganz gezielt auf jede einzelne Frau eingehen zu können, wird nach der Ernährungsberatung in der Diabetessprechstunde für Schwangere ein individueller Ernährungsplan erstellt. Dazu muss die Patientin über einen Zeitraum von zwei Wochen vier Mal täglich ihren Blutzuckerspiegel messen: morgens nüchtern, nach dem Frühstück, Mittagessen und Abendbrot.“
Neben einer gesunden Ernährung rät Dr. Thilo Gröning Betroffenen: „Möglichst viel bewegen! Körperliche Aktivität ist ganz wichtig, um den Blutzucker zu senken.“ Spazierengehen, Walken, Aerobic mit Bauch-Programm für Schwangere, leichte Gymnastik, Rad fahren, Aquafitness und Schwimmen sind ideale Sportarten, um den Blutzuckerspiegel zu senken. „Optimal sind zwei Mal täglich 30 Minuten Bewegung.“
Die meisten betroffenen Frauen haben Angst, Insulin spritzen zu müssen. Das beobachtet auch Dr. Thilo Gröning in seiner Praxis. „Zum Glück kann Schwangerschaftsdiabetes mittlerweile auch auf andere Weise sehr gut behandelt werden. Nur etwa 20 Prozent aller betroffenen Frauen müssen tatsächlich Insulin spritzen. Bei den meisten Schwangeren genügt eine Ernährungsumstellung. Die Patientin bekommt eine Ernährungsberatung und muss gezielter darauf achten, was sie isst.“
Ca. 80 Prozent der Patientinnen haben mit der Ernährungsumstellung Erfolg. Ob du bei Schwangerschaftszucker Insulin spritzen musst, entscheidet der Arzt. Insulin ist aber nicht schädlich für den Fötus, da es nicht in die Plazenta gelangt.
Dr. Thilo Gröning rät Müttern zum Stillen. „Muttermilch ist ohnehin die beste Ernährung fürs Kind. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt beim Gestationsdiabetes über sechs Monate ausschließlich zu stillen. Längeres Stillen ist sogar mit weniger Übergewicht bei den Kindern assoziiert.“
Eine Mutter erzählt uns, wie sie mit der Diagnose Gestationsdiabetes umging. Hast oder hattest du Schwangerschaftsdiabetes? Teile deine Erfahrungen auf unserer Facebookseite oder auf Instagram!
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